Zum Potential literarischer Texte
3. Juni 2014; Cordula Wollny-Tamborini (cordula.wollny-tamborini@ilw.uni-stuttgart.de)
Literarische Denkformen
Arbeitstagung vom 27. bis zum 28. Juni 2014
Stuttgart Research Center for Text Studies
Wittgensteins provokanter und vielzitierter Satz „Philosophie dürfte man eigentlich nur
dichten“ erweist sich als umso abgründiger, je länger man sich ihm zuwendet, denn er wirft eine
Kaskade von Fragen auf: Wie steht es um die Trennung der Gattungen? Wie um deren Aufhebung?
Impliziert und manifestiert die Aufhebung der Trennung nicht diese Trennung selbst? Ist nicht eine
jede Philosophie als sprachlicher Ausdruck auf ,dichterischeˈ Mittel angewiesen? Und vice versa:
Schlägt nicht jede Dichtung um in Philosophie, wenn man sich in sie denkend versenkt?
Die Fülle an Auseinandersetzungen mit dem weiten Feld von Philosophie und Literatur bezeugt
deren innige Verbindung häufig auf unbefriedigende Weise: So dringen auf der einen Seite nicht
selten Philosopheme in literaturwissenschaftliche Abhandlungen ein, mit denen philosophische Tiefe
suggeriert wird, während auf der anderen Seite manche ,philosophischeˈ Abhandlung ihre Thesen mit
literarischen Bezügen und Zitaten garniert, die sich als Dekor erweisen. Selbst wenn sich zuweilen
der Gedanke einer Zwangsheirat aufdrängt, erwecken einige Autoren dennoch den Eindruck, dass
zwischen Philosophie und Literatur eine Wahlverwandtschaft besteht.
Die Arbeitstagung Literarische Denkformen zielt weder darauf, philosophische Einflüsse bei
Schriftstellern auszuweisen, noch darauf, sich einer Philosophie der Literatur anzunähern, sondern
befragt literarische Texte auf das ihnen innewohnende Potenzial, selbst genuin philosophische
Probleme aufzuwerfen und anzugehen. Die Analyse literarisch-rhetorischer Aspekte und deren Öffnung
für philosophische Fragestellungen bietet zugleich ein Instrumentarium, mit dem die Textualität
philosophischer Werke präziser in den Blick genommen werden kann. Philologisch geschulte Lektüren
können anschließend aufweisen, wie philosophische Werke wiederum ,literarischeˈ Mittel verwenden
und inwiefern sie für die Vermittlung von Erkenntnissen auf diese angewiesen sein könnten.
Die als Werkstattgespräch organisierte Tagung richtet sich in erster Linie an
Nachwuchswissenschaftler, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg mit der genannten
Problemstellung beschäftigen und sich über diese austauschen wollen. Dies wäre weiterführend im
Rahmen eines zu beantragenden DFG-Netzwerks möglich, das sich den literarischen Denkformen in
Philosophie und Literatur zuwendet. Diese und weitere Möglichkeiten der Vernetzung werden auf der
Veranstaltung diskutiert.
Organisation: Marcus Andreas Born (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
Claus Zittel (Stuttgart Research Center for Text Studies)
Veranstaltungsort: Universität Stuttgart, Abteilung NDL, Keplerstrasse 17,
Raum 17.21 (2. Stock)
27. Juni 2014
14.30 Marcus Andreas Born und Claus Zittel: Begrüßung
14.45 Marcus Andreas Born (Freiburg): Von den Blinden Sehen lernen. Günter
Eichs Hörspiele.
15.30 Axel Pichler (Berlin): „die geselligkeitsschaftlichen und geilheitspolitischen
ausdünstungen des kunstkörpers“. Philosophischer Versuch über Werner
Schwabs Abfall, Bergland, Cäsar
16.15 Pause
17.00 Klaus Birnstiel (Basel): „Schwere Zeichen, dichte Diskurse, leichte Lektüre:
zur poststrukturalistischen Matrix deutschsprachiger
Gegenwartsliteratur“
17.45 Milena Massalongo (Verona) Gegen den Fetischcharakter der Schrift.
Agamben vs. Brecht, oder die Auflösung des Werks in dessen „Geste“
18.30 Pause
18.45 Martin Endres (Leipzig): Denken zu Sprechen. Zur Dichtung Oswald Eggers
19.30 Abschluss
28. Juni 2014
10.00 Anne-Sophie Kahnt (Marburg): Die Umschrift der Philosophie Ludwig
Wittgensteins im Spätwerk Ingeborg Bachmanns
10.45 Claudia Löschner (Stuttgart): „Ich weiß nur, daß es zu viel, zu viel ist für
mein Bürgerhirn“. Ironische Schopenhauerlektüre und
lebensphilosophisches Gepräge in Thomas Manns Buddenbrooks
11.30 Pause
11.45 Jørgen Sneis (Stuttgart): „Das Wesen der dichterischen Darstellung ist wie
alles Leben nur durch eine zweite darzustellen“. Zur Funktion der
Beispiele in Jean Pauls Vorschule der Ästhetik
12.30 Pause
14.00 Alexander Becker (Düsseldorf): Philosophie durch die Textform: Diderots
Rameau’s Neffe
14.45 Claus Zittel (Stuttgart): Der „Cameleon“-Charakter der Affekte. Vernunft
und Leidenschaften in Daniel Casper von Lohensteins Arminius -Roman
15.30 Abschlussdiskussion und Gesprächsrunde über ein DFG-Netzwerk
16.30 Ende
Kontakt: | claus.zittel@ts.uni-stuttgart.de |